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Nimm mich mit, lass mich nicht allein

Ich rauche.
Ich rauche in jeder freien Minute, ziehe den Rauch ein als wäre er die Antwort auf all meine Fragen.
Qualmend sitze ich auf der Brücke zwischen Kindergarten und Bäumen.
Die Straße ist sauber, der Regen hat sie glatt und dunkel hinterlassen.
Bei jedem Auto, das unter mir vorbei rauscht hüpfen kleine Steine, als würden sie im Rausch versuchen zu fliehen.
Und ich sitze und rauche.
Hauche kleine Lichtgestalten in die schwüle Luft und lebe.
Sehe den Autos unter mir zu, erhasche einen flüchtigen Blick auf ihre Fahrer und dichte ihnen ein fremdes Leben an.
Der dicke Mann im Laster flieht vor zu Hause weil seine Frau eine Hure ist. Weil sie mit jedem Kerl im Ort vögelt und er nicht weiß, ob das Kind, welches ihn abends freudestrahlend empfängt sein Kind ist. Doch er liebt die Kleine mehr als seinen Stolz und so schluckt er all die Trauer und Wut runter und schafft stillschweigend Geld heran.
Die zierliche Frau im roten Auto wartet auf den Moment, in dem die Tackernadeln aus ihrem Gesicht fallen und ihr geübtes Lächeln krachend zu Boden fällt. Und obwohl sie Angst hat wartet sie auf den Mann, der sie trotz der Medikamente liebt, die ihr Leben um ein paar Jahre verlängern und dem es egal ist, dass ihre Haare ausfallen und der sie liebt, für den mickrigen Rest ihres Lebens, der ihr noch bleibt.
Der junge Kerl, der kaum ein paar Jahre älter als ich ist und schon eine dicke Karre fährt, die er von einem Freund eines Freundes geliehen hat. Den seine Eltern lieben und die er verachtet, weil sie kaum einen Cent besitzen. Die Brünette, die auf dem Sitz neben ihm klebt und ihn für sein gutes Aussehen liebt, doch von seiner Herkunft nichts ahnt. Ihren knurrenden Magen, den sie doch so gerne füllen würde doch jedes Gramm würde ihre Hungerstrecke verdoppeln.
Das Kind, das brabbelnd in seinem Kindersitz gequetscht sitzt und nichts von der Welt weiß. Das später einmal ein angesehener Politiker wird und bei einem Autounfall ein Kind, keinen Meter groß, töten wird.
Sie verschwinden alle im Rauschen der Autobahn und wissen nicht, dass ich ihnen ein Stück Leben mitgegeben haben, ebenso wie sie mir ein paar Sekunden gestohlen haben.

2 Kommentare:

Phoebe hat gesagt…

Das sind spannende Gedanken / Geschichten. Ich rauche für dich mit.

Tamina hat gesagt…

Du schreibst unglaublich gut. Und du bist interessant, kreativ. Bleib wie du bist, bitte!