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"Du wirst mir fehlen!" - "Du mir auch."

"Das war's dann jetzt, hm?" Mein Blick klebt an der Anzeigetafel. 10 Minuten noch.
Sein Schweigen sagt alles, viel mehr als es seine Worte je tun könnten.
"Vielleicht, wenn wir nochmal von neu anfangen, wenn wir das alles streichen und die Uhr einfach nochmal auf Null stellen..." Seine Stimme verliert sich im Rauschen der Züge. Er dreht sich zu mir und nimmt meine Hand. Warm umschließen seine Finger meine, hinterlassen seinen Geruch, der mir plötzlich ebenso vertraut wie fremd ist.
"Nein. Wir haben die Uhr schon einmal auf Null stellen wollen und was ist dabei raus gekommen? WIr können doch nicht einfach vergessen, das kann niemand."
Ich sehe ihn an, versuche ihm das zu zeigen, was mein Mund nicht aussprechen kann. In seinen Augen liegt Unverständnis, eine eisige Kälte legt sich über sein Gesicht, doch ein Stück dahinter blitzt greller Schmerz auf. Er wischt sich über die Augen als könnte er so die Gefühle vertreiben und fährt sich fahrig durch die Haare.
Ich weiß, dass ihn meine Worte verletzen, dass er sie ebenso wenig hören möchte wie mich. Doch wir wissen beide, dass ich recht habe; ebenso wie wir wissen, dass der Zug nun schnell kommen muss bevor wir beide einbrechen und an dem nächsten Versuch zugrunde gehen. 4 Minuten noch.
"Vielleicht irgendwann nochmal..."
"Lass das." Scharf fällt er mir ins Wort, lässt meine Hand los. Als würde er mich von sich stoßen weiche ich zurück, beiße mir nervös auf die Lippe.
"Hör einfach auf damit. Lass den ganzen Kram. Hör auf mir nun zu sagen, wie schön es doch war und dass du es jedes Mal wieder so machen würdest oder dass wir es vielleicht irgendwann nochmal hinbekommen. Und hör bloß auf dich nun zu verabschieden. Halt einfach die Klappe, sei einfach ruhig."
Er funkelt mich wütend an, während ich die Augen schließe. Tränen brennen unter meinen Lidern, ein Schluchzen klettert meinen Hals hoch. Meine Hände zittern, ich vergrabe sie in meinen Taschen. Wie durch Watte höre ich ein Rascheln, merke wie er auf mich zu kommt. Ich halte die Augen geschlossen und presse mein Gesicht an seine Brust, während er beruhigend über meinen Kopf streicht.
Als der Zug einfährt verschränke ich meine Finger ein letztes Mal mit seinen, lege ein unsicheres Lächeln auf meine Lippen. Die Tränen strafen es Lügen, doch sein Mund erwidert es widerwillig.
"Rauch nicht so viel und lass dich von deinem Bruder nicht ärgern. Und lass das Heulen, das bringt ja keinem was und sieht bloß scheiße aus." Er grinst mich spöttisch an.
"Wird gemacht Sir. Und du, lies vielleicht mal mehr und iss ein paar Nuggets für mich mit."
Mit einem falschen Grinsen verabschieden wir uns während ich einsteige. Als sich die Türen schließen mit einem grellen Piepsen schließen wische ich mir hilflos die Tränen aus den Augen. Er steht verloren auf dem Bahnsteig, versucht vergeblich seine Coolness aufrecht zu erhalten.
Meine Lippen formen ein paar letzte Worte, schicken sie lautlos durch die geschlossenen Türen. Er nickt mir zu, während der Zug ratternd anfährt.

2 Kommentare:

Madame Traumtänzerin hat gesagt…

Das könnte aus einem Film sein. Ein schmerzliches Ende.

Jacky hat gesagt…

Das ist so ziemlich eines der Schönsten Dinge, die ich je gelesen habe. Du bist wunderbar.