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"Stay close to everything, that makes you glad you are alive"

Ich hasse den Geschmack, das Brennen in der Nase. Trotzdem beuge ich mich über die Platte, setze das Röhrchen an und ziehe. Es zieht, kribbelt, brennt so in der Nase, dass ich fast husten muss. Doch ich reiße mich zusammen, ziehe nochmal hoch und warte.
Warte, dass die Mauern wieder einbrechen, dass die Gefühle langsam angeschlichen kommen. Sie kommen dieses Mal sanft, streicheln mich behutsam, heißen mich willkommen, wie einen alten Freund. Sie tanzen mit mir, erzählen mir Geschichten, die mich verzaubern. Von schillerndem Glück, welches mich überfällt. Von all den schönen Dingen, die ich zu vergessen versuche. Von all dem Leid, was mich nicht mehr berührt und dem Gefühl, nicht vollkommen taub zu sein.
Gefühle, die ich über Monate angesammelt habe, umwerben mich, fordern meine ganze Aufmerksamkeit. Sie versuchen die klaffenden Wunden in mir drin zu flicken, streichen sie in schimmernden Farben, bis die tiefe Dunkelheit nicht mehr zu sehen ist. Sie überdenken das Schwarz, lassen es schrumpfen und verstauen es ganz hinten in meinem Kopf, wo es mich nicht mehr befallen kann.
Es ist schwer, all das zuzulassen. Ich kenne sie nicht, all diese Gefühle, seit Jahren schon habe ich sie nicht mehr gefühlt. Habe mich taub gesoffen, habe mein eigenes Schreien, die verzweifelten Schläge in mir, ignoriert. Ich habe mich abgestoßen, als würde dieser Körper nicht mehr zu mir gehören. Habe ihn laufen lassen, all die Dinge tun lassen, die getan werden müssen, und doch gehört er nicht mir. Er war ein Mittel zum Zweck, mehr nicht. Er war nie mehr als ein kaputtes Gebäude, welches ich bewohnen muss. Ich habe versucht mich aus ihm heraus zu schneiden, meinen Körper zu zerstören, bis er endlich aufgibt und den Kampf gegen mich einstellt. Doch er gehört mir nicht, das tat er nie. Er ist dreckig, er stinkt, alles an ihm widert mich an. Da ist nichts, was ich liebe, es ist eine Qual, Tag für Tag aufzustehen und zu merken, dass er immer noch nicht zu mir gehört.
Doch jetzt, für ein paar Stunden, gehört er mir. Da fange ich an ihn zu verstehen, fange an mich selbst kennen zu lernen, all die kleinen Ecken in meinem Körper zu sehen, vor denen ich vorher die Augen verschlossen hab.
Vielleicht lernen mein Körper und ich, dass wir uns akzeptieren können. Dass wir miteinander und nicht nebeneinander leben können, dass wir ein Team sein können. Dass es nicht meine Schuld ist, dass jemand meinen Körper beschädigt hat. Dass es nicht meine Schuld ist, dass M auf mich eingeschlagen hat, dass er fremden Leuten meinen Körper verkauft hat, dass er mich benutzt hat. All das war nicht meine Schuld, und für ein paar Stunden glaube ich auch daran. Dann kann ich trauern, dann kann ich wütend werden, dann kann ich Glück zulassen, dann kann ich anderen Leuten sogar sagen, dass ich sie gerne hab. Dass sie für mich mehr als nur ein Weg sind mich hoch zu pushen, dass ich nicht immer nur der Arsch mit der großen Klappe und einer Vorliebe für Brüste bin. Ich kann mich verletzlich machen, ich kann zu mir stehen, ich kann frei sein.
Frei von mir, frei von allen Ängsten und Sorgen. Freiheit, die mich für ein paar Stunden atmen lässt. Die mich umarmt, auf mich aufpasst, nicht zulässt, dass ich oder andere mir weh tun. Für diese paar Stunden schenke ich mir das größte Geschenk, was ich jemals bekommen könnte. Ich schenke mir ein wenig Ruhe, ein wenig mehr Ausgeglichenheit, ein wenig mehr Mut, weiter zu machen. Nicht einzubrechen, nicht alles aufzugeben. Mich von Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen zu lassen, Mut zu Neuem haben.

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