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The old me is dead and gone

Guten Tag,
da bin ich wieder. Dieser Brief wird weiter gehen, das habe ich euch letztes Mal versprochen und sicher bist du nun gespannt, was ich dir zu sagen habe, M. Vielleicht sollte ich dir diesen Text einmal schicken, irgendwann. Nur, um mir vorzustellen, wie die Einsicht, dass du viel Mist gebaut hast, dir ins Gesicht schlägt. Diese Vorstellung befriedigt mich, sie gibt mir wenigstens das Gefühl, dass die Gerechtigkeit nicht ganz tot ist. Dass ich etwas dagegen tun kann, dass du ein Wichser bist.
Aber nun doch, von Beginn an.
Du warst mir verdammt wichtig. So viel kann ich sagen, obwohl ich das doch eigentlich gar nicht will. Ich lag Tage im Bett und habe mir eingeredet, dass du mir egal wärst. Dass du nur einer von den ganzen vielen Kerlen bist, und dass du mir nicht fehlst.
Aber das wäre gelogen und das wissen wir beide. Du konntest damals doch nur so viel machen, weil du dich in mein Herz geschlichen hast. Wie eine Zecke.
Manchmal überlege ich, ob du das mit Absicht gemacht hast, ob das dein Plan gewesen ist, wenn man das so nennen kann. Ob du die ganze Zeit im Hinterkopf wusstest, dass du mir weh tun wirst. Oder ob du mich wirklich geliebt hast.
Aber egal wie die Antwort wäre, fest steht, dass du viel verbockt hast. So viel, dass es mich fast mein Leben gekostet hat. Ich hab so viele Male versucht, mir das Leben zu nehmen, weil ich es nicht mehr ausgehalten hab, dass du mich schlägst. Dass du deine Freunde über mich drüber rutschen lässt. Dass ich in deinen Augen nicht mehr wert war, als mein Körper her gab. Du hast mich ausgesaugt, wie ein giftiger Parasit, hast mir immer und immer wieder eingeredet, dass ich die Schuld trage.
Und weiß Gott, ich habe dir geglaubt. Manchmal tue ich es heute auch noch. Dann überlege ich, was ich hätte besser machen können, was dir gefehlt hat.
Aber ich hätte nur eine Sache besser machen können.
Ich hätte mich verdammt noch mal früher von dir trennen müssen. Dir nicht wieder und wieder vergeben sollen, deine Wiedergutmachungen in den Wind schießen sollen und deine Ausreden ungehört an mir vorbei ziehen lassen.
Doch wir wissen beide, dass es dir Spaß gemacht hat. Mich zu würgen, zu schlagen, mich zu vergewaltigen, all das hat dir den Kick gegeben.
Mich hat es zerstört. Mir hat es all den Lebenswillen geraubt, es hat mich klein und still werden lassen. So still, dass die Leute mich übersehen haben, dass ich die war, die nie jemand gesehen hat. Ich bin unsichtbar geworden, in der Hoffnung, dass auch du mich übersehen würdest.
Ich hatte Angst, so viel Angst. Wenn ich könnte würde ich zurück reisen und mich selbst in den Arm nehmen. Mir versichern, dass ich nicht allein bin, mir etwas Mut zusprechen, die Angst ein wenig kleiner werden zu lassen.
Jeder Gedanken an dich erfüllt mich mit Scham, mit Wut und Trauer. Denn ich hatte das nicht verdient. Ich hatte all das, was du getan hast, nicht verdient. Ich habe mir so große Mühe gegeben, ich habe deine Kälte, deine Gewalt, all das habe ich ignoriert.
Ich glaube manchmal, dass du keine Ahnung hast, wie die Tage für mich waren. Die Tage, an denen du warst, an denen ich dein Spielzeug war. Ich habe selbst nicht mehr daran geglaubt, dass ich mehr bin. Mehr als das, was du mir gesehen hast, mehr wert als nur ein paar Bier. Ich habe jahrelang versucht das aus mir heraus zu schneiden, die Erinnerungen, die Albträume.
Weißt du, wie es ist, wenn einem das Herz aus Furch fast heraus springt, wenn man den Menschen sieht, den man liebt? Wenn man in jeder Sekunde auf der Hut ist, wenn man für jeden blauen Fleck neue Ausreden finden muss.
Ich habe gelitten wie ein Hund, das kannst du mir glauben.
Aber du nicht. Und das wundert mich. Ich versuche manchmal mich in deine Lage zu versetzen. Die Tage aus deiner Sicht zu sehen. Zu verstehen, warum du mich schlagen musstest. Warum du mir weiterhin weh tun konntest, wo du doch schon gemerkt hast, dass ich am Ende meiner Kräfte war. Woher du diese Gleichgültigkeit nimmst, was dir an dieser Situation den Kick gibt.
Ich verstehe es aber nicht.
Und ich werde dir mit diesen paar Worten niemals deutlich machen können, was du mir angetan hast. Ich kann dieses Grauen, was mich überfallen hat, nicht in Worte fassen, obwohl ich das so gerne könnte. Nicht, um Mitleid einzuheimsen oder um ein paar Leute zu unterhalten. Nein, einfach nur einmal, damit du vielleicht verstehst, was du gemacht hast. Nur, damit du einmal, schwarz auf weiß, lesen kannst, was du mit deinem Verhalten anrichtest.
Hoffentlich kann ich den Schmerz abwerfen, ihn wie einen alten Mantel abstreifen und liegen lassen. Ihn nicht jedes Mal wieder überziehen, wenn ich das Gefühl habe, mich zu verlieren, denn du, mein lieber M, bist nichts, was mich ausmacht.
Du bist eigentlich die Worte, die ich hier an dich richte, nicht wert. Du bist es nicht einmal wert, dass ich deinen Namen nur erwähne. Vielleicht wird es ja ein wenig besser, wenn ich das hier los geworden bin. Vielleicht fühle ich mich ein bisschen befreiter, ein kleines bisschen nur. Vielleicht kann ich mich dann ein wenig mehr lieben, mein kleines Ich, was du wertlos weg geworfen hast, in den Arm nehmen und ihm die Sicherheit geben, die du ihm damals genommen hast.
Anbei, denn ich habe dieses Bild vor ein paar Tagen noch gefunden, zeige ich dir ein Foto, was dir zeigt, wie es mir damals ging. Dieses Bild ist zwei Jahre alt, es ist zwei Jahre, nachdem ich dich das letzte Mal gesehen hatte, geschossen worden.
Und das, was du dort siehst, das hat mich so aus den Socken gehauen, denn ich habe das nicht so wahr genommen, wie es dort ist. Natürlich betrachte ich meine Beine, sehe die Narben, doch sie sind blasser geworden, es gibt dort keine klaffenden Wunden mehr. Es kommt kaum noch vor, dass ich mich selbst richte, dass ich mich schneide oder dass meine Selbstmordgedanken die Überhand gewinnen.
Und falls doch, dann ist Luca da. Er nimmt den Platz ein, den du damals hättest einnehmen sollen. Er behandelt mich so gut, dass ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Ich brülle ihn an, ich fahre aus der Haut, ich ergreife wieder die Flucht, weil ich all das nicht kenne. Ich kenne es nicht, dass man Sex ohne Schmerzen haben kann. Dass man sich vertrauen kann und der andere für einen einsteht. Bis ich achtzehn war wusste ich überhaupt nicht, dass ich etwas wert bin. Dass da mehr als mein Körper ist, der mich ausmacht.
Und das, unter anderem, dank dir. Applaus Applaus, ich ziehe den Hut vor dir.
Ich finde keinen passenden Abschlusssatz, was soll man dazu denn auch noch sagen?

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